Ich hab ja schon mal geschrieben, dass meine Augen im Laufe meines Älterwerdens etwas von ihrer Sehkraft eingebüsst haben. Doch mit Brille und Kontaktlinse war und ist das immer noch leicht zu beheben. Doch vor knapp drei Wochen haben meine Augen eine neue Dimension erreicht. Aber von Anfang an.
Freitag, 31. Januar
Wie gewöhnlich gehe ich morgens zur Arbeit. Nehme die Aufträge entgegen und kümmere mich um die ersten Bewohner. Auf einmal wird's neblig, und zwar auf meinem rechten Auge. Verwundert reibe ich dran rum, doch nichts ändert sich. Tja nun, wird schon vergehen, denke ich mir. Ich arbeite also weiter, was auch ohne Schwierigkeiten geht, denn mein linkes Auge übernimmt ja jetzt die ganze Seharbeit. Während ich ziemlich sorglos weitermache, tummeln sich immer mehr schwarze Striche, Linien und Punkte im Nebel. Ja, schön siehts ja aus, wie sich diese immer wieder neu formieren und sich elegant durchs Sichtfeld bewegen, aber irgendwie..ich glaub da stimmt was nicht, oder?! Ach, das wird wohl nur am Stress liegen, den ich momentan habe, einfach zu viel zu tun, mir selbst zu viel zugemutet in den letzten paar Wochen. Kein Wunder streikt da mal der Körper, in meinem Fall halt das Auge. Und ich beschliesse abzuwarten.
Samstag / Sonntag, 1. und 2. Februar
Hast du nicht gesehen? Die Streifen, Striche und Punkte: nichts mehr davon da. Nur der Nebel bleibt hartnäckig. Doch was soll's. Das Auge erholt sich ja bereits.
Montag, 3. Februar
Wieder an der Arbeit, immer noch neblige Sicht auf dem rechten Auge. Braucht es halt etwas länger um sich zu erholen. Doch dann, in der Kaffeepause, ja da tauchen die schön geschwungenen Linien wieder auf und gestalten schon beinahe ein Kunstwerk im Nebel. Nun ist mir klar, dass irgendwas nicht stimmen kann. Kurz nachgedacht und ich rufe in der Augenklinik an, in der Hoffnung, dass die mir am Telefon sagen, das sei nichts Ernstes. Aber was macht die Dame am anderen Ende des Telefons? Erklärt mir, dass ich so rasch als möglich vorbeikommen soll, da könne was mit Netzhaut oder Glaskörper nicht in Ordnung sein. Nun denn, geh ich halt in der Mittagspause vorbei.
Nun sitze ich da im Warteraum und komme mir etwas blöd vor. Übertreibe ich nicht ein bisschen mit den Beschwerden? Weh tut ja gar nichts...
Der Arzt ruft mich in den Behandlungsraum. Kontrolliert beide Augen. "Hmm, hmm..." tönt es von seiner Seite. Ich sitze gespannt wie ein Flitzebogen auf dem Stuhl, mal den einen, mal den anderen Augapfel reingepfropft in ein trichterförmiges Kontaktglas, durch das der Arzt mit grellem Licht bis ins innere meiner Augen blicken kann. "Hmm, hmm...ich seh schon was es ist." ...und dreht weiter an meinen Augäpfeln rum. Hätt ich auch gern gewusst, was es ist, aber der Arzt schraubt noch weiter an meinen Augen rum.
Ich seufze laut auf, meine Augäpfel tun mir leid: was die heute durchmachen müssen! Zumindest ist die Untersuchung nicht schmerzhaft, aber etwas unangenehm...und ich will endlich wissen, was er gefunden hat!
Er: "Ja nun, sie haben einen Riss in der Netzhaut."
Ich so: "???"
Er: " Also das heisst, die haben einen Netzhautriss, den ich gleich lasern werde."
Ich:" Wieso hab ich denn einen Riss? Woher kommt denn sowas?"
Er (ganz entspannt): "Das ist bei Ihnen altersbedingt." ...und lächelt mich an. (Also der Kerl hat ja Nerven! Und in diesem Moment sowas von meinen Sympathien für ihn verspielt, aber SOWAS VON!)
Ich: " Was heisst denn altersbedingt?"
Er: " Im Alter werden die Augen trockener, so das der Augapfel bei Bewegung eine grössere Zugkraft auf die Netzhaut ausübt." (Da hatte ich ja nochmal Glück, dass ich nicht gleich einen verschrumpelten Augapfel mit mir rumtrug!) "Und Ihre starke Kurzsichtigkeit ist ebenfalls ein Risiko für die Netzhaut. Aber wir lasern das gleich, keine Sorge."
Ich: " Nun gut, am Freitag hab ich frei, ich könnte da vorbeikommen...zum lasern meine ich."
Er (im ersten Moment etwas sprachlos): "Nun....(er schaut mich etwas erbost an, offensichtlich habe ich was missverstanden)...Ihnen ist wohl nicht klar, wie ernst die Diagnose ist (nun schaue ich etwas ratlos aus der Wäsche!) ...ein Netzhautriss kann eine Netzhautablösung zur Folge haben. Und wann Sie diese haben könnten, weiss ich nicht: heute, in zwei Wochen...keine Ahnung. Aber Sie entscheiden, was wichtiger ist: Ihr Augenlicht oder zur Arbeit zu gehen."
Ich (ziemlich kleinlaut vor mich hermurmelnd): " Na, da nehm ich doch bitte einmal lasern...für heute..."
Zack, sass ich vor dem Lasergerät. Und in wenigen Minuten wurde die Netzhaut gelasert, was das Zeug hielt.
Er: "Fertig, das sollte halten. Was Sie in nächster Zeit auf keinen Fall dürfen ist Lesen."
Das ist hart: ich darf nicht lesen, bis die Naht vernarbt ist. Dabei weiss doch jeder, dass ich ständig meine Nase in irgendein Buch stecke.
Er: "Und joggen dürfen sie auch nicht. Alle raschen vertikalen und horizontalen Bewegungen könnten momentan die Naht reissen lassen."
Nun, das mit dem joggen krieg ich locker hin, bin vorher schon nicht in der Gegend rumgerannt und werde es in diesem Leben wohl auch nicht mehr machen. Versteh einfach nicht, wo da der Spass sein soll...Aber eins muss ich sagen: mit dem Joggingverbot hat er doch gleich wieder meine Sympathien für sich gewonnen :-)
Mittwoch, 19. Februar
Heute war die vorläufig letzte Kontrolle, die Netzhaut musste zwei Tage nach Behandlung nochmals ergänzend gelasert werden, die Heilung dauerte ein paar Tage länger als im Schnitt. Ich konnte in der Zwischenzeit anfangen, kurze Texte zu lesen, das joggen...nach wie vor kein Thema. Doch ab Heute kann ich wieder normal lesen und schreiben...und sollte in Zukunft jährlich in Vorsorgeuntersuchung gehen, denn ja: nun habe ich einen dritten Risikofaktor für einen weiteren Netzhautriss. Nämlich den, dass ich schon einen Riss hatte.
Erkenntnis von diesem Ereignis: ich bin etwas älter und sollte mittlerweile so vernünftig sein, mir nicht zu viel aufzubürden und dabei auch noch der Meinung zu sein, dass das alles locker zu bewältigen ist. Ist nämlich nicht so. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, mal weniger Projekte und Ideen zu haben, aber ich werde mir wohl etwas mehr Zeit nehmen, diese zu gestalten. Und wenn es mir zu viel wird, muss halt auch mal was liegen bleiben. Und genau da ist für mich die Herausforderung beim Altern: das ganze etwas entspannter anzugehen. Aber ich geb mein Bestes.
Bleibt gesund und achtet auf Euch
Corinna
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