Der Margarethenpark und das Ende von Basels grösstem Kriminalfall
- Corinna
- 27. Sept. 2024
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 28. Sept. 2024
Das ist die Geschichte von Kurt Sandweg und Waldemar Velte. Und die von Viktoria 'Dorly' Schupp, dem Margarethenpark in Basel und ein klein wenig von mir. Auch wenn die Verbrechen von Sandweg und Velte Jahrzehnte her sind, gibt es so etwas wie eine Verbindung zu ihrem Fall. Und zwar durch den Margarethenpark, in dem ich viel Zeit als Kind verbracht hatte.

Das erste Mal las ich von ihnen in dem Roman 'Fast ein bisschen Frühling' von Alex Capus und war fasziniert davon, was sich im Park meiner Kindheit, Jahrzehnte bevor ich geboren wurde. ereignete.
Doch beginnen wir mit der Geschichte der beiden Männer. Sandweg und Velte wurden im Abstand von genau einem Tag im August 1910 in Wuppertal geboren. Seit Kindheit engste Freunde, lernten beide den Beruf des Ingenieurs.

Doch die Zeiten nach Ende des 1. Weltkrieges waren alles andere als leicht und auch wenn die beiden aus besserem Hause stammten, waren sie arbeitslos. Das war aber nicht das Einzige, das ihnen zu schaffen machte. Denn nachdem 1933 die Nazis die Macht in Deutschland ergriffen hatten, wollten sie nur noch weg aus ihrer Heimat. Sie wussten nichts mehr mit und in Deutschland anzufangen. Ihr Ziel war Indien. Weshalb sie ausgerechnet dorthin wollten, ist ungeklärt.

Doch für Reisen braucht man Geld und dies hatten sie nicht. Also schmiedeten sie den Plan, eine Bank zu überfallen. Sie gingen nach Stuttgart und stahlen dort einen BMW Dixie. Damit fuhren sie am Morgen des 18. November 1933 in Stuttgart zu einer Bankfiliale und betraten diese. Mit ihren Waffen bedrohten sie den Filialleiter und als ein zweiter Bankbeamter den Schalterraum betrat, erschoss einer von ihnen den Filialleiter. Die beiden flohen mit einer Beute von nur 1250.- Reichsmark.

Auf Umwegen kamen sie schliesslich im Dezember 1933 nach Basel und hier lernten sie im Globus die Verkäuferin Viktoria Schupp kennen. Es wird vermutet, dass sie der Grund war, dass die beiden länger in Basel blieben, denn zwischen den Dreien entwickelte sich so etwas wie eine Freundschaft. Velte soll gar mehr in der Beziehung zu Viktoria Schupp gesehen haben, was diese aber nicht erwiderte. Doch Viktoria war nicht der einzige Grund, weshalb die beiden in Basel 'hängen' blieben. Das Reisen in den 30er Jahren war kompliziert und teuer. Für alles mögliche brauchte es Genehmigungen und Visa und das kostete nicht nur Geld sondern auch viel Zeit.
In der Folge trafen sich die Drei täglich nach Viktorias Feierabend auf dem Marktplatz und machten gemeinsame Spaziergänge. Viktoria wusste ja nichts von der Vorgeschichte der beiden Deutschen. Die Zwei erklärten ihr am 4.Januar 1934, dass sie am nächsten Tag keine Zeit für ein Treffen hätten und dass sie sich erst am übernächsten Tag sehen könnten. Das war auch nicht verwunderlich, denn den beiden ging das Geld aus und sie planten, am 5. Januar die Wever Bank an der Elisabethenstrasse in Basel zu überfallen. Sie setzten den Plan in die Tat um und erschossen dabei den Buchhalter und einen Bankangestellten. Mit kleiner Beute konnten sie wieder fliehen.

Eine Grossfahndung wurde eingeleitet und die Unterkünfte in Basel systematisch kontrolliert. Bei einer dieser Routinekontrollen wurden die beiden in einer Basler Pension entdeckt, dabei wurden zwei Polizeibeamten erschossen, ein Zivilist, der die beiden verfolgte, kam ebenfalls ums Leben. Velte und Sandweg flohen erneut. Diesmal auf Velos bis nach Laufen. Bei dieser Flucht verlor ein weiterer Polizist sein Leben und leider musste auch ein junger Mann, der von der Polizei als einer der Flüchtigen gehalten wurde, sein Leben lassen. Sandweg und Velte hinterliessen eine blutige Spur...

Erschöpft von Hunger und Kälte machten sich die beiden nach einer Nacht im Wald in Laufen wieder auf den Weg nach Basel, genauer gesagt in den Margarethenpark. Hier trafen sie in der Dunkelheit Viktoria Schupp, die ihnen nach einem Telefonanruf Brot in den Park brachte. Allerdings hatte sie in der Zwischenzeit durch den Fahndungsaufruf erfahren, wer ihre beiden Freunde waren und verständigte die Polizei. Diese umstellte mit fast 100 Beamten den Park und warteten im Dunkeln ab.
Erschöpft und geschwächt erkannten die beiden ihre Lage und kurz nach Mitternacht ertönten Schüsse im dunklen Park. Die beiden hatten sich gegenseitig in den Kopf geschossen, doch sie starben nicht sofort daran. Velte schoss Sandweg erneut in Kopf und diesmal auch ins Herz und sass dann als Überlebender alleine und verletzt im dunklen Park. Im Morgengrauen erschoss sich Velte schliesslich selbst.

Die beiden wurden später auf dem Wolfgottesacker in Basel beigesetzt.
Die Geschichte dieser beiden jungen Männer und all der Toten hat mich berührt, was wohl in erster Linie daran lag, dass ich die Stationen, die die beiden in Basel und Laufen aufsuchten, selbst alle kenne. Vor allem der Margarethenpark war mir als Kind sehr vertraut, so dass ich beim Anblick des obigen Bildes gleich eine Vorstellung davon hatte, wo sich die beiden erschossen hatten.
Also machte ich mich dieser Tage auf den Weg in den Park und versuchte, meine Vorstellung zu bestätigen. Doch das gelang mir nicht eindeutig. Die Wegführung von damals mag mit der heutigen übereinstimmen, doch Büsche und Bäume wurden teils entfernt oder ersetzt, Bänke erneuert, Wege asphaltiert und verbreitert. So war es mir nicht möglich, den genauen Ort zu eriuieren, aber eine Vorstellung davon blieb.
Der Spaziergang durch den Park war zugleich auch ein Spaziergang durch meine eigene Vergangenheit. Es gab so vieles, das mich an mich als Kind erinnerte: das Schwimmbecken, der Lorelei Brunnen, die Kunschti...zerschlagene Knie und zerrissene Röcke...und wie ich Jahre später auch mit meinen Kindern hin und wieder diesen Park besucht habe. Doch nie hatte von den beiden Bankräubern und Mördern gehört.
Falls es euch interessiert, was mit den Waffen von Sandweg und Velte geschah: sie wurden natürlich erst mal konfisziert und... verschwanden. Dies wurde allerdings erst festgestellt, als die Waffen für das Polizeimuseum Basel, welches im Jahre 2000 im Spiegelhof eröffnet wurde, als Exponate dienen sollten. Die Polizei stellte zwar Untersuchungen an, doch die Waffen wurden nicht mehr gefunden. Ebensowenig konnte eruiert werden, seit wann genau die Waffen fehlen, klar ist nur, dass sie irgendwann zwischen 1934 und den späteren 1990ern, als sie fürs Museum hervorgeholt werden sollten, abhanden kamen. Vermutet wird auch, dass es ein 'Interner' war, der sie an sich nahm.
Vielleicht habt ja auch ihr solche Geschichten, die nicht direkt mit euch zu tun haben, ihr aber doch auf irgendeine Art und Weise eine Verbindung dazu habt?
Ich finde es jedenfalls immer wieder beeindruckend, wie vieles im Leben, wenn auch um mehrere Ecken herum, miteinander verwoben ist.
Und nun sage ich euch Tschüss und habt eine gute Zeit.
Corinna
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