Nun ist es fast auf den Tag genau ein Jahr her, dass ich Sisko, meinen Dalmatiner, gehen lassen musste. Ein Jahr, in dem ich mich an einen neuen Tagesablauf, an einen Alltag ohne Hund gewöhnen konnte. Die ersten Wochen waren schlimm, denn ich hatte ein Familienmitglied verloren und um ein Familienmitglied getrauert. Und dabei auch festgestellt: es gibt drei ganz besondere Tage, die mir mit Sisko in Erinnerung blieben.
Der erste Tag war der, als ich Sisko zusammen mit meinem jüngeren Sohn zu uns nach Hause holte. Er hatte noch sieben weitere Geschwister, doch ihn wollte niemand haben. Dies lag zum einen daran, dass er dieses schöne schwarze Ohr hatte, was ihn für Ausstellung und gewinnbringende Zucht 'unbrauchbar' machte. Angeblich dürfen die berühmten Tupfen bei Dalmatinern dafür einen Umfang von höchstens 5 cm haben...ich hab diese Aussage aber nie überprüft, denn das war mir einfach so was von schnurz. Zum anderen brach bei der Geburt sein Unterkiefer, was zwar behandelt wurde, aber ein schiefer Unterkiefer bleibt ein schiefer Unterkiefer und sollte wenige Jahre später auch einige Komplikationen mit seinem Gebiss nach sich ziehen.
Sisko kam also damals in unsere Familie und brachte meinen Alltag zu Beginn so ziemlich durcheinander. Er war noch nicht stubenrein, also stand viel putzen an. Benimmregeln waren auch so seine Sache nicht, also stand viel Erziehungsarbeit bevor. Dann kam seine Pubertät und machte erst mal all diese Erziehungsbemühungen zunichte...also begannen wir quasi wieder von vorne. Wir rauften uns also langsam zusammen und während ich mich das ein oder andere Mal über ihn ärgerte, wedelte er mit dem Schwanz und schaute mich treuherzig an...bevor er wieder den nächsten Unsinn anstellte. Hund eben.
Wir genossen also unsere gemeinsamen Jahre, bewältigten die ein oder andere Herausforderung gemeinsam, hatten viel zu lachen und manchmal trieb er mich zur Weissglut. Familie eben.
Und dann kam dieser zweite Tag. An dem ich feststellte, dass Sisko alt wurde. Das kam natürlich nicht von einem Tag auf den anderen, es kam schleichend. Seine Lust, mit anderen Hunden zu spielen und über die Wiesen zu rennen, liess nach bis er eines Tages lieber einfach nur noch in Ruhe seinen Spaziergang machen wollte. Die Runden, die immer kleiner wurden, die Pausen, die wir dabei immer öfter einlegten. Irgendwann konnte ich mir nicht mehr einreden, dass es an der Hitze, Kälte, 'Ach, heute mag er einfach nicht so' oder sonst was lag: nein, ich musste mir eingestehen, dass er alt geworden war.
Das änderte die Qualität unserer Beziehung. Sie wurde nicht mehr dadurch geprägt, möglichst vieles gemeinsam erleben zu können, sondern einfach möglichst viel Zeit miteinander zu haben. Und diese Zeit im ständigen Bewusstsein zu verbringen, dass diese immer kürzer und endlicher wurde. Auch wenn ich wusste, dass dies der Lauf des Lebens war, war es für mich nicht immer einfach, das zu aktzeptieren.
Und dann kam schliesslich der dritte Tag, der schlimmste von allen. Als ich Sisko gehen liess. Ich habe ein enges Familienmitglied verloren und musste mich erst wieder an ein Leben ohne Hund gewöhnen. Es war herausfordernder als gedacht. Auch wenn mich der berufliche Alltag weiterhin forderte und ablenkte: meine Freizeit war nun...wie soll ich sagen...frei. Und diese Zeit musste ich erst wieder lernen zu nutzen. Ganz zu Beginn sass ich nur so rum, wusste gar nicht so genau, was ich nun tun sollte. Schliesslich raffte ich mich auf, alleine spazieren zu gehen und kam mir dabei so ziemlich doof vor. Allerdings nur, bis ich von einer anderen Frau erfuhr, dass sie seit dem Tod ihres Hundes mit dessen Leine laufen ging. Einfach damit sie weiterhin an die frische Luft kam. Oder von jemand anderem hörte, dass er immer noch Guddelis in der Jackentasche herumtragen würde, damit er sich beim Spazierengehen ohne Hund nicht so verloren fühlte. Eine Nachbarin hingegen hatte wenige Wochen nach dem Verlust ihres Hundes wieder einen Hund und war überglücklich damit. Ihr seht: es gibt viele Möglichkeiten, mit dem Verlust seines Hundes umzugehen, ich also begann wieder spazieren zu gehen, ohne Leine, ohne Guddelis in der Tasche, ohne neuen Hund. Aber doof fühlte ich mich dabei immer noch. Also musste bei diesen Spaziergängen ein Ziel her: ich begann, mir bei jedem Spaziergang ein Endziel auszusuchen: ob ich nun dort einen Kaffee trank oder eine Ruine erklomm war egal, aber für mich musste es einen Sinn ergeben und ich merkte: so machte das Spazierengehen wieder Spass.
Nun, das Jahr zog vorbei und ich entdeckte in der Zwischenzeit Anderes, das meine Aufmerksamkeit fesselt und geniesse nun meine Freizeit wieder in vollen Zügen.
Sisko hingegen, jaha...ich liess ihn ja kremieren und stellte damals vor einem Jahr seine Asche zuhause an seinen Lieblingsplatz. Dies mit der Absicht, ihn so rasch als möglich zu verstreuen. Doch ratet mal, wie lange die Asche wohl dort stand? Richtig! Bis vergangenen Montag, also auf den Tag genau ein Jahr lang. Und dies nicht mal, weil ich mich nicht von ihm trennen konnte, sondern einfach, weil ich es nicht mehr wahrnahm, dass dort der Behählter stand, er gehörte ja quasi schon zum Inventar.
Nun habe ich mich letzten Montag, an seinem 14. Geburtstag, auf den Weg gemacht, um ihn an dem Ort zu zerstreuen, an dem er mir nach seinem Tod zwei Mal im Traum erschienen ist. Ich stand also schliesslich an dieser Stelle, hielt dieses gefühlte Kilo Asche im Säckchen in der Hand und wollte mit dem Streuen beginnen...doch nichts geschah. Die Asche lag wie ein Stein in meiner Hand, oh Mann...durch das lange Herumstehen, klumpte sie zusammen, so dass ich sie erst mal gewaltig lockern musste. Sisko möge mir verzeihen, aber er kennt mich ja und weiss, dass es manchmal nicht so einfach flutscht bei mir und 'es isch halt immer ebbis' 😉
Und damit sage ich Tschüss und wünsche euch ein schönes Wochenende
Corinna
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