Jahre sind bereits vergangen, als ich zum letzten Mal das Haus meiner Grosseltern betrat. Ziemlich genau 20 Jahre sind seitdem ins Land gezogen. Doch erst kürzlich beschlossen meine Schwester und Schwägerin, einen Umweg zu eben diesem Haus zu machen. Und machten ein paar Schnappschüsse davon.
Verlassen steht es da, in einem Weiler von Grengiols, einem typischen Walliser Dorf im Goms. Eigenhändig erbaut von meinen Grosseltern nach deren Hochzeit. Wie ich von meiner Mutter weiss, lebten die beiden zu Beginn gemeinsam im Keller des Hauses (auf obigem Bild nicht ersichtlich). Dieser liegt hinter dem Haus und war ursprünglich ein Lagerkeller für Gemüse und Käse. Erst nachdem sie im Keller zusammen wohnten, begannen sie damit, sich das Haus, so wie es sich noch heute präsentiert, zu bauen. Erst kam eine kleine Zweizimmer-Wohnung auf den Keller. Diese könnt ihr gut an der Steinwand mit den zwei kleinen, grünen Fensterläden oberhalb der Strasse erkennen. Und im Laufe der folgenden Jahre kam die Wohnung mit der Holzfassade hinzu.
Die obere Wohnung umfasst den Teil mit den oberen, größeren, grünen Fensterläden. Hinter dem rechten Fensterladen verbirgt sich die Küche, gekocht wurde auf einem Holzofen, der fast ständig befeuert wurde. Darauf wurde auch das Wasser zum Wäsche waschen und zur Körperhygiene erhitzt, denn ein Bad gab es nicht. Es gab nicht mal eine Toilette, sondern ein Plumpsklo und dieses befand sich gleich neben der Küche. Genauer gesagt zwischen Wohnhaus und Stall, also in dem schmalen Teil, das ihr oberhalb der Holztür, gleich rechts von den Läden der unteren Wohnung erkennen könnt. Ihr könnt euch kaum vorstellen, welche Angst ich als Kind hatte, auf dieses Klo zu gehen. Ständig fürchtete ich, in dieses dunkle, stinkende, schwarze Loch zu fallen, direkt hinein in die...darf man das so direkt benennen?...direkt in die Scheisse, die sich unter dem Haus sammelte und mit dem Regenwasser auf die Wiesen hinter dem Haus gespült wurde.
Auf obigem Bild könnt ihr den Keller erkennen, in dem meine Grosseltern nach ihrer Hochzeit gewohnt haben. Er befindet sich unterhalb der zwei grünen Fensterläden, in dem steinernen Teil, der beinahe ebenerdig ist. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie beengt das gewesen sein muss und vermutlich ziemlich ungemütlich im Winter. Über diesem steinernen Teil, dort mit den zwei Fensterläden und unterhalb des Balkons, das ist die Zweizimmerwohnung, die sie sich später selbst gebaut haben. Und erst im Laufe der weiteren Jahre kam die obere Wohnung hinzu.
Wenn wir meine Grosseltern besuchten, übernachteten wir in der Zweizimmerwohnung, die aus eben zwei kleinen Kammern und einer Wohnküche bestand. Und Plumpsklo....um das nochmals zu erwähnen! In der Küche gab es einen steinernen Trog, aus dessen Hahnen eiskaltes Wasser kam. Es war definitiv eine sehr einfache Unterkunft, doch das störte weder meine Schwester noch mich, denn was interessierte uns der Komfort, wenn wir als Kinder auf den Wiesen rumspringen konnten und einen Wettbewerb draus machten, wer von uns beiden mehr Heuschrecken im Konfiglas sammeln konnte...und Heuschrecken gab damals mehr als genug.
Wie ich von meiner Mutter gehört habe, schwor mein Grossvater darauf, dass das Holz fürs Haus in einem bestimmten Monat (vermutlich Februar?) geschlagen und anschliessend gelagert werden musste. Er war überzeugt davon, dass es dann nicht springen, also Risse bekommen, würde. Ob es so war, kann ich nicht sagen, doch ich bin überzeugt, dass er darüber bestens Bescheid wusste.
Wenn ihr euch das Dach genauer anschaut, könnt ihr die Schindeln, mit dem es gedeckt ist, erkennen. Diese schnitzte mein Grossvater selbst bei jeder sich bietenden Gelegenheit. So hatten sie immer genügend zur Hand, wenn was am Dach repariert werden musste.
Beim obigen Bild kommen viele Erinnerungen auf. Wie ich mit meiner Schwester immer wieder nach oben gerannt bin, um anschliessend aus dem 'Fenster' oberhalb des Stalls auf den Miststock zu springen. Ja ja, wir hatten damals definitiv viel Bewegung und viel Spass. Alles war sehr unbeschwert und ich vermute mal stark, dass wir nicht gerade einen feinen Geruch verbreitet haben, wenn wir vom Miststock zurück kamen :-))
Als Kleinkind verbrachte ich auch eine längere Zeit bei meinen Grosseltern und meine Mutter erzählte mir immer wieder, dass ich meinem Grossvater früh morgens mit einem Becher in der Hand in den Stall gefolgt sei und dort von ihm die erste, frisch gemolkene Kuhmilch zu trinken bekommen habe. Tempi passati...Der Zugang zum Stall ist auf obigem Bild übrigens die kleine Holztür unterhalb der Leiter, dort wo ein Tuch drüber hängt. Ich kann mich auf jeden Fall noch daran erinnern, dass sich alle Erwachsenen immer bücken mussten, wenn die in den Stall wollten.
Doch wir kamen nicht nur zum spielen ins Wallis. Mein Vater half seinen Eltern bei der Heuernte, meine Schwester und ich griffen ihnen tatkräftig unter die Arme. Dies sah dann meistens so aus, dass wir mit Schwung den einen oder anderen Heuballen auf den Anhänger hievten und dann lieber auf dem Anhänger rumsprangen...äh, ich meine, die Heuballen richtig auf dem Anhänger stapelten...so wars natürlich, ist ja klar, oder?! Auch Onkel und Tanten, sowie Cousins. und Cousinen waren immer mit dabei, das waren Arbeiten für die ganze Familie.
Wenn die Arbeit verrichtet war, ass die Familie in der Regel zusammen. Bei schönem Wetter draussen, bei schlechtem Wetter gedrängt in der Küche der Grosseltern. Dort hingen in der ganzen Küche verteilt Lebendfliegenfänger. Die, die so von der Decke hingen und irgendwas klebriges drauf hatten, an dem dann die Fliegen kleben blieben. Es schaudert mich noch heute beim Gedanken daran, denn meistens waren die Fliegenfallen rabenschwarz, voll von kleben gebliebener Fliegen, von denen einige immer am Zucken waren.
Immer gab es selbstgemachte Butter, Milch, Käse, Roggenbrot, Walliser Würste und Schinken. Meine Grosseltern waren Selbstversorger und kauften wenig dazu. Salz, Kaffe und Zucker...Süsses gab es selten und das merkte man. Beide hatten in ihren 80ern. und 90ern noch fast alle Zähne, was in der heutigen Zeit doch bemerkenswert ist.
Wenn der Hausmetzger auf den Hof kam und Schweine und Kühe schlachtete, wurde alles verarbeitet. Nichts wurde übrig gelassen. Würste und Schinken wurden oberhalb des Heuschobers luftgetrocknet. Ich kann mich gut daran erinnern, welch himmlische Düfte das waren, wenn wir dort hoch kletterten. Gut geschützt hingen und trockneten die Stücke wochenlang. Auch Käse machten sie selbst. Den besten Käse, denn ich je gegessen habe. Ein einziges Mal kam ich viele Jahre später in den Genuss eines Käses, der diesen einzigartigen Geschmack auch hatte. Gisela hatte diesen im Milchhüsli in Solothurn gekauft, doch leider kann ich mich nicht an den Namen erinnern.
Wenn wir vom Wallis nach Hause zurückkehrten, bekamen wir immer wieder mal einen Laib hausgemachten Käse mit. Diesen legte mein Vater im ungeheizten Keller auf ein Brett, in das er zuvor Löcher gebohrt hatte, und rieb den Laib während 10 Tagen mit einer Lake aus Salzwasser und Weisswein ein. Nach diesen 10 Tagen wurde der Laib, der dann angeschnitten wurde, nur noch mit Salzwasser eingerieben. Unvergesslich gut.
Wie es sich gehörte, wurde das Vieh, in dem Fall die Kühe, im Frühling auf die Voralp getrieben, wo es sich an Kräutern und fettem Gras satt essen konnte. Zu diesem Zweck hatten meine Grosseltern ein einfaches Häuschen, bestehend aus einem kleinen Raum mit zwei einfachen, aus Holz gezimmerten Betten und einem durch Steine abgetrennten Bereich, in dem sich eine offene Feuerstelle mit grossem Topf befand. Wasser kam vom Gebirgsbach draussen, Toilette gab es keine. Das ganze war also noch einfacher als ihr Haus im Weiler. Ein Hirte kümmerte sich in der Zeit um die Kühe, denn die mussten ja auch gemolken werden. Die Milch wurde vor Ort zu Butter und Weichkäse verarbeitet. Im Sommer wurden die Kühe schliesslich auf die Hochalp getrieben, wo die Milch zu Hartkäse verarbeitet wurde. Es waren nicht nur die Kühe der Grosseltern auf den Alpen unterwegs, sondern auch die der anderen Bauern. Jemand hütete die Kühe, machte den Käse und wenn die Kühe im September / Oktober erst auf die Voralp und beim ersten Schnee wieder auf die Höfe getrieben wurde, wurde der Käse mit Eseln und Mulis ebenfalls ins Tal gebracht.
Nun ist der Hof verkauft, was damit geschieht, weiss ich nicht. Ob er verfällt oder renoviert wird, wird sich zeigen. Doch ich hab mich sehr gefreut, als mir meine Schwester die Bilder davon geschickt hat, denn sie haben viele Erinnerungen freigesetzt.
Und nein, früher war definitiv nicht alles besser, aber anders. Doch die Zeiten ändern sich und das ist auch gut so. Denn wer möchte schon ständig auf der Stelle treten?
So, nun reisse ich mich aus meinen Erinnerungen los und wünsche euch eine gute Zeit.
Corinna
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