Die Zeit, in der ich meinen Hund gehen lassen musste...sie rückte immer näher. Unausweichlich, egal wie wenig ich dies wollte. Letzten Samstag war es soweit.
Genau heute, da ich meinem Hund zu Gedenken in gemeinsamen Erinnerungen wühle und diesen Artikel schreibe, wäre er 13 Jahre alt geworden. Im kommenden Februar hätte er mich während eben so vieler Jahre durchs Leben begleitet, durch den Alltag, auf Ausflügen, durch gute und schlechtere Zeiten...durch mein Leben halt.
Doch vor genau einer Woche war nicht nur ich soweit, ihn gehen zu lassen, auch er zeigte mir deutlich, dass nun seine Zeit gekommen war. Mit schweren Herzen begleiteten meine beiden Söhne und ich unseren Hund beim Übergang in...ein anderes Leben? Gibt es für Hunde auch ein Jenseits, so wie für Menschen? Wenn man denn daran glaubt? Nun, ich hoffe es, und wünsche ihm auch, dass es ihm dort drüben gut geht und er wieder über Wiesen springen kann, wie er es als gesunder Hund konnte.
Es war sehr berührend, dass mich beide Söhne bei diesem schweren Gang unterstützt haben und auch Sisko das letzte Geleit gaben: umgeben von seiner Familie durfte er für immer die Augen schliessen und seinen letzten Atemzug tun.
Als junger Welpe hielt er damals Einzug in unsere Familie. Es war nicht so mein Herzenswunsch als der meines Sohnes, sich um einen Hund kümmern zu dürfen. Ich selbst hatte immer die Vorstellung, vielleicht....eventuell....könnte sein....dass ich mal, wenn ich weniger arbeiten würde, einen Hund könnte haben wollen. Aber so sicher war ich mir damals bei dieser Idee auch nicht. Nun ja, wie es so ist im Leben...manches kommt anders als man es sich denkt.
Nun war er also da: unser kleiner Sisko. Noch nicht ganz stubenrein, gerne seine Zähne an Schuhen und sonstigen Sachen ausprobierend, ständig wurde was zerrupft oder verschwand...und so manches mal habe ich innerlich geflucht, dass ich dem Wunsch meines Sohnes zugestimmt habe.
Doch mit der Zeit änderte sich etwas. Sisko brachte Leben in die Bude...das hatte ich zwar schon zur Genüge mit zwei schulpflichtigen Kindern, aber...es war ein anderes Leben. Eines mit viel frischer Luft, egal ob bei schönem Wetter oder Dauerregen, ich lernte die Umgebung und jeden Baum, Grashalm, Schlammboden und Getier an meinen Wohnorten kennen...und ich erfuhr auch, wie es riecht, wenn sich dein Hund heldenhaft in irgendeinen verwesenden Tierkadaver auf dem Waldboden stürzt und sich darin wohlig suhlt. Ohne Sisko wäre mir auch der Anblick auf eine Hundeschnauze, festgebissen an einen mumifizierten Eichhörnchenkörper verwehrt geblieben. Und irgendwie erinnerte mich dieser Anblick an Horst Lichter von 'Bares für Rares'...
Ich habe, bevor Sisko in mein Leben trat, nie verstanden, wie Menschen mit ihren Hunden reden können...ausser ihnen irgendwelche Befehle zu erteilen, selbstverständlich. Irgendwie fand ich das immer etwas bescheuert. Was soll denn der Hund daran verstehen? Erwarten die irgendeine Antwort von ihrem Vierbeiner? Da waren also Fragen, die ich mir auch mit viel Stirnrunzeln nicht beantworten konnte. Nun denn, heute bin ich meilenweit davon entfernt, solch ein Verhalten in Frage zu stellen. Denn wer begann nicht irgendwann mit: 'Hey Sisko? ...? Siskollino? ...Na, wo bist du denn? Wollen wir rausgehen?' ...wahlweise mit 'Siskollino, komm her (begleitet natürlich auch noch von einem sicht- und hörbaren Klatschen in die Hände meinerseits), ich habe ein Guddeli für dich. Ach ja, wir beide hatten so manch intensives Gespräch...also ich redete, Hund hörte zu. Und gab keine Widerrede...gaaanz wichtig.
Was haben wir beide gelacht, wenn uns ein Hündeler entgegenkam, der einem Wettbewerb von 'Survival Fittest' entsprungen schien: Hosen mit 512 Taschen, dazu eine Weste mit weiteren gefühlten 317 Öffnungen, am besten noch alles in erdigen Tönen und mit einem Maximum ausgestattet, um zwei Stunden bei einem Spaziergang an der Birs überleben zu können.
Und wie standen wir beide mit stolzgeschwellter Brust in der Gegend rum, wenn jemand sagte: 'Mein Gott, ihr Hund hört aber aufs Wort.' Und ich bescheiden erwiderte: 'Tja, man tut was man kann.' ...nur um 200 Meter weiter froh zu sein, dass die Person, die zuvor das Lob aussprach nicht mitbekam, wie mein Hund aus dem Nichts heraus sein Gehör verlor und ich fluchend hinter ihm herlief. Aber ich schwöre: es war bestimmt ein Hörsturz...
Ach ja, das Treffen mit anderen Hündelern, ein Thema für sich. Da gab es ganz tolle, aber auch banale oder gar nervige Begegnungen mit dieser Spezies, zu der ich ja auch beinahe 13 Jahre gehörte. Interessante Gespräche, Bekanntschaften, Belangloses aber auch Sachen, die mich immer wieder nervten: da liessen sie ihren Hund teils etliche Meter vor oder neben oder hinter sich laufen, wir waren in einer Leinenfreien Zone, um dann bei einer Entfernung von drei Metern zu schreien: 'Nehmen Sie ihren Hund sofort an die Leine!' Ja, wie hätte ich denn auf auf die Distanz erkennen können, dass ihr Hund an so einer dünnen Ausziehleine hing? Wo er sich doch in alle Richtungen in allen möglichen Entfernungen zu seinem Menschen bewegte? Und diese dünne Leine sieht man je nach Lichtverhältnissen und Distanz nun einmal nicht. Oder die Leute, die schon 50 Meter vor mir ihren kleinen Fiffi vom Boden hochrissen, sich an ihn krallten und zitternd fauchten: 'Gehen Sie sofort mit ihre grossen Hund weg!' Hallo? Das ist ein Dalmatiner, läuft an der Leine und hat den kleinen Scheisser nicht mal beachtet? Also ehrlich: da taten mir die armen Hunde schon manchmal leid, dass die so einen Menschen an der Leine mitführen mussten.
Ja, durch Sisko habe ich einiges gelernt und kennengelernt. Nie hätte ich so viele
Sonnenaufgänge in Wald und Feld gesehen, noch weniger wäre ich in so viele
Platzregen geraten, hätte den Jahreszeitenwechsel so intensiv mitbekommen, erfahren, was die Liebe zu und von einem Hund bedeutet.
Nun bleiben mir immerhin viele Erinnerungen an diesen tollen Hund, der die letzten Monate immer mehr abgebaut hat, dessen Spaziergänge immer kürzer wurden, welche er trotzdem genossen hat, und der die letzte Woche vor seinem Tod nur noch in den Garten wollte. Es war hart, meinen vitalen, lebendigen und auch fordernden Hund zu sehen und zu begleiten, als ihn die Kräfte immer mehr verliessen. Aber die Dankbarkeit für diese Zeit wird Bestand haben und mein Verständnis für die manchmal komischen Verhaltensweisen von anderen Hündelern wird wohl auch bleiben...hoffe ich zumindest...denn das Stirnrunzeln, wenn ich doch wieder Fragen zu deren Verhalten haben sollte, macht ja nur mir Falten, nicht den anderen.
Also Leb wohl mein furchtbar vermisster und geliebter Sisko und ich wünsche dir, dass es dir gut geht.
Corinna
P.S. Eben hat die Tierklinik angerufen, dass ich noch heute die Asche von Sisko bei ihnen abholen kann. Ich werde ihn also heute, an seinem Geburtstag ein letztes Mal nach Hause bringen und ihn später, wenn ich soweit bin, mit all denen, die ihn auch liebten und ein Teil seines Lebens waren, an seinen Lieblingsplätzen zu verstreuen.
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