Der Lötschberg: für die Einen ein Tunnel, um rasch ins Wallis zu kommen, für die Anderen ein Alpenübergang vom Kandertal im Kanton Bern ins Lötschental im Kanton Wallis.
Zugegebenermassen: ich kenne nur den Tunnel. Ich habe weder den Alpenübergang noch das Lötschental je zu Fuss bezwungen. Aber wusstet ihr, dass mit dem Bau des Tunnels bereits 1906 begonnen wurde? 25 Arbeiter verloren im Februar 1908 in ihrer Unterkunft ihr Leben, als eine Lawine dort unterging und weitere 26 Mineure wurden im Juli 1908 durch Gesteins- und Schlammmassen im Stollen verschüttet. Davon konnte nur Einer tot geborgen und in Kandersteg beerdigt werden, die Bergung der Anderen war wegen nachrutschender Massen nicht möglich. Schliesslich wurde der betreffende Stollen zugemauert und so ruhen die Leichen der 25 Mineure immer noch im Berg.
Die Familie väterlicherseits lebt im Kanton Wallis, wo seit einigen Jahren auch meine Mutter zuhause ist. Schon als Kinder fuhren meine Schwester und ich mit den Eltern "durch de Lötschberg" mit dem Autoverlad. Was waren das damals für Fahrten: meine Mutter bereitete immer am Abend zuvor eine Ente à l'orange zu, garte sie im Bräter etwas an, und liess sie dann über Nacht im abgeschalteten Ofen stehen. Wenn sie uns dann am nächsten Morgen in der früh weckte, schaltete sie den Ofen wieder ein und liess die Ente vor sich hinbruzzeln, bis wir parat für die Abfahrt und die Ente kross war. Dann wurden Kinder, Ente und weiss ich was sonst noch ins Auto gepackt und los ging's. Mit dem Vater am Steuer und die Ente zwischen den Füssen meiner Mutter ging's auf direktem Weg zum Lötschberg. Endlich standen wir dann in Kandersteg auf dem Zug, dieser ruckelte los und in den dunklen Tunnel hinein. Und damals war er wirklich dunkel...jedenfalls gab es damals keine Scheinwerfer, die irgendwelche Autofahrer anliessen oder Navis und Smartphones,, die aus den Autos leuchteten.
Da standen wir also auf dem ruckelnden und schüttelnden Zug, das Licht im Auto wurde kurz angemacht, die Ente landete auf dem Schoss meiner Mutter, wurde an alle verteilt, das Licht ging wieder ab und wir genossen im Dunkeln dieses Essen. Es war einfach fantastisch. Alleine schon der Duft, der durchs Auto waberte. Und dann die krosse Haut, die zwischen den Zähnen mit einem leichten knacken nachgab...Ein Gedicht! Kaum hatten wir die Ente verputzt, kamen wir in Goppenstein wieder aus dem Tunnel und gut genährt ging's dann weiter zur Verwandtschaft, wo wiederum Walliser Spezialitäten auf uns warten. Das Schlaraffenland liess damals grüssen.
Nun, die Zeiten, in denen wir mit unseren Eltern die Verwandten im Wallis besuchten, sind schon lange vorbei. Heut zu Tage fahren noch meine Schwester und ich regelmässig zu unserer Mutter ins Wallis. Und benutzen dabei auch den Autoverlad. Seit einigen Monaten bin ich auch im Besitze der Punktekarte. Netterweise hat mich die Angestellte im Kassenhäusschen darauf aufmerksam gemacht mit der Bemerkung, ob ich mir denn nicht so eine Karte zulegen wolle. Sie sehe mich doch oft auf dieser Strecke vorbeikommen. Na, wenn das nicht kundenorientiert ist :-) Und praktisch ist es ja auch mit der Karte: statt an der Kasse hinter den Autos zu stehen, die jede Fahrt einzeln bezahlen, komme ich zügig an der Station für Karteninhaber durch. Bei jeder Fahrt werden die geladenen Punkte abgezogen und auf der entsprechenden Quittung angegeben, so dass ich immer weiss, wie oft ich noch mit Karte fahren und kann und wann ich sie wieder aufladen sollte.
Als ich gestern mit meiner Mutter telefonierte und zum einen von den Zeiten mit der Ente im Zug schwärmte und mich zugleich darüber beklagte, dass es das halt nicht mehr geben würde, meinte sie trocken: "Na, mach dir die Ente doch einfach selbst." Wie ihr unschwer erkennen könnt, ist meine Mutter sehr praktisch veranlagt.
Und ich habe mir vorgenommen, DIE Ente zu machen, wenn ich das nächste Mal mit meiner Schwester auf den Zug geh! Vielleicht lassen wir auch noch was für unsere Mutter übrig :-)))
Bis dann
Corinna
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