Mein Leben zwischen Rechts und Links
- Corinna
- 14. Mai 2021
- 4 Min. Lesezeit

Manchmal kann ich mich nicht entscheiden: rechts...oder links? Eigentlich ist das ja eindeutig, nämlich: entweder - oder! Dazwischen gibts nichts! Nun, vielleicht denkt ihr jetzt: wo ist das Problem? Wenn du weder Rechts noch Links bist, dann bist du wenigstens in deiner Mitte?!
Na ja, schön wärs ja. Aber weder bin ich ständig in meiner Mitte noch meine ich mit Links oder Rechts meine politische Gesinnung, sondern einfach meine Schwäche. Meine Rechts-Links-Schwäche! Lästig, mal mehr mal weniger, hin und wieder auch mit Folgen für mich oder mein Umfeld. Von umherirrenden Menschen mal ganz zu schweigen. Wenn die mich mal nach dem Weg gefragt haben, irren die armen Leute nämlich erst recht in der Gegend rum...seufz...
Doch was ist das nun, diese Rechts-Links-Schwäche? Es handelt sich dabei um eine Orientierungsstörung, die etwa 20% - 30% der Menschen haben sollen. Es ist keine Krankheit im üblichen Sinne, sondern eine Herausforderung für jeden Betroffenen und manchmal auch eine Herausforderung fürs Umfeld. Personen, die wie ich diese Schwäche haben, fällt es schwer, die korrekte Richtung anzugeben.
Beispiele aus meinem Leben gefällig? Ich spaziere mit dem Hund an der einen Hand durchs Quartier, in der anderen Hand halte ich einen Barstuhl (tatsächlich so geschehen, aber fragt NICHT!) Als sich mir ein Auto mit ausländischen Kennzeichen nähert, denk ich nur: Oje, hoffentlich fragt da niemand nach dem Weg. Aber was macht dieser Autofahrer? Na, was macht er wohl? Natürlich hält er neben mir, lässt das Fenster runter und fragt nach der Irgendwasstrasse. "Ja, natürlich kenne ich die, da müssen sie vorne die zweite rechts fahren, dann alles geradeaus und schon sind sie da." Erleichtert, dass ich diesmal die richtige Richtung angegeben habe, klopfe ich mir innerlich auf die Schulter und denke nur: siehst du, auch von mir kommt mal eine korrekte Richtungsangabe!
Kaum gesagt, fährt er schon los. Und während ich ihm nachschaue, denke ich so bei mir: Mist, ich habe ihm das falsche rechts angegeben, er hätte doch auf die andere Seite fahren müssen! Ich möchte gar nicht wissen, der wievielte umher irrende Mensch das war, den ich auf eine falsche Fährte schickte. Doch ehrlich gesagt, beschäftigte mich auf dem weiteren Heimweg nur noch eines: hoffentlich laufe ich dem nicht nochmal über den Weg!
Oder noch so ein Klassiker: ich bin mit meiner Schwester im Auto unterwegs, sie fährt und ich bestaune auf dem Beifahrersitz die Gegend. Plötzlich schallt die Verkehrsmeldung in höchster Lautstärke aus dem Radio, so dass mich meine Schwester bittet, diese auszuschalten. Tja nun, auf dem Display stehen nun zwei Anzeigen: ¨"Löschen" und "Abbrechen". Ich hab keine Ahnung, welches von den beiden ich nun drücken soll und meine Schwester sagt kurz und knackig: " Auf das Rechte!" Zielsicher wie ich bin, drücke ich unverzüglich auf die richtige Anzeige und freue mich wie Bolle, dass es mir gelungen ist, die wahnsinnig laute Verkehrsmeldung abzuschalten. Stille herrscht im Auto...bis mir meine Schwester zuraunt: "Das andere Rechts meinte ich, das andere Rechts!"
Ihr seht, worauf ich hinaus will? Von dieser Schwäche hab nicht nur ich etwas, sondern auch mein gesamtes Umfeld.
Doch ich habe eine Methode, die diese Schwäche etwas ausgleicht: ich kann links und rechts unterscheiden, wenn ich genug Zeit habe und meine Hände in etwa auf Brusthöhe hochhebe und sie nacheinander kurz zur jeweiligen Seite strecke. Mittlerweile habe ich soviel Übung darin, dass das nur ganz kleine Bewegungen sind, die kaum auffallen dürften, doch ich brauch halt etwas Zeit dazu...und freie Hände. Ihr erinnert euch? Mal die Hände voll mit Hund und Barhocker? (Könnt ihr beliebig erweitern mit Einkäufen, Zementsäcken, Schuhen...was ich halt so in Händen halte). Mit vollen Händen kann ich nicht kurz in der Luft rumwedeln, also kann ich rechts nicht von links unterscheiden. Leider! Und wenn ich ein kurzes Kommando kriege und denke, ich hab keine Zeit für meine Handbewegungen, tja dann kann es sein, dass ich die falsche Anzeige drücke. Aber meine Schwester hätte ja auch einfach sagen können: "Drück auf Abbrechen!" Tat sie aber nicht, also ist sie genau genommen selbst schuld...hab ich schon erwähnt, dass sie das Radio nochmals neu programmieren musste, weil...na ja...mit löschen war halt das löschen des Programms gemeint...aber wenn ich mich recht erinnere, wars dann meine Schwägerin, die das Programmieren übernommen hat, sorry.
Ich gehe davon aus, dass sich in meinem Gehirn eine Verbindung zu links und rechts auftut, wenn ich die Hände entsprechend bewege und auch etwas Zeit habe, darüber nachzudenken, wo denn nun rechts oder links ist. Ansonsten klemmen meine Synapsen halt einfach, was soll ich machen!
Doch woher kommt denn diese Schwäche? Eine Theorie besagt, dass die Ursache vermutlich in der Evolutionsgeschichte liegt. Wenn die Steinzeitmenschen früher ihre Säbelzahntiger jagten, mussten sie sich nach den Himmelsrichtungen orientieren. Die Begriffe links und rechts gab es damals noch nicht. Aber mal ganz ehrlich: müsste ich mich nach den Himmelsrichtungen orientieren oder auf diese Weise irgendjemanden die Richtung angeben: ich könne nicht mal mehr vorne von hinten unterscheiden, von rechts oder links ganz zu schweigen.
Die zweite Theorie geht davon aus, dass man diese Schwäche entwickelt, wenn man in der kindlichen Entwicklung irgendwelche Schritte übersprungen hat. Also man ist vielleicht nicht gekrabbelt, gerobbt, gerollt, gesessen oder gestanden etc. etc. Nun, was soll ich dazu sagen? Hab ich da was verpasst? Meine Mutter sagt nein und ich selbst, kann mich nicht mehr an alles erinnern. Ich hab also keine Ahnung, ob das zutreffen könnte.
Wie dem auch sei: links oder rechts, häufig ist es einerlei, denn das Leben besteht ja nicht nur aus Richtungen. Und wenn doch und ihr jemanden seht, der beide Hände vor der Brust hat und kurz damit rumwedelt: dann habt ihr mich entdeckt. Aber lasst mir Hund und Barhocker da, die nehm ich nämlich wieder an die Hand und geh mit ihnen nach Hause...
Corinna
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