Nonnenkrankheit
- Corinna
- 11. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
Einst war Brustkrebs im Volksmund als Nonnenkrankheit bekannt, da man davon ausging, dass davon mehr Nonnen als andere Frauen betroffen waren.

Doch wie kam es zu dieser Annahme?
Nachdem der italienische Arzt Bernardino Ramazzini (1633 - 1714) die arbeitende Bevölkerung auf ihre Krankheiten hin studierte und sie zu diesem Zweck an ihren Arbeitsstätten besuchte, fielen ihm nebst anderen Krankheiten auch die erhöhte Brustkrebsrate der Nonnen auf. Er zog daraus den Schluss, dass dies daran liegen würde, dass sie ihrer 'natürlichen' Aufgabe, dem Kindergebären, nicht nachkamen.

Eine Brustkrebsstudie von 2008 legt den Schluss nahe, dass Umweltgifte wie Autoabgase und Zigaretten einen sehr geringen Einfluss auf die Erkrankung haben, hingegen Alkoholkonsum, Adipositas, fehlende Bewegung und Hormonersatztherapie eine grössere Wirkung auf die Entfaltung von Brustkrebs haben sollen. Doch auch diese seien nicht massgeblich am Ausbruch der Krankheit beteiligt: vielmehr spiele es eine Rolle, wann die erste und letzte Regelblutung waren (je früher und je später desto grösser das Risiko), wieviele Zyklen der Körper durchlaufen hat, die Körpergrösse und Vorerkrankungen in der Familie und die Anzahl der Kinder, die die Frauen geboren hatten. Ergo: Nonne = keine Kinder = immer wiederkehrende Zyklen = erhöhtes Brustkrebsrisiko und schon wäre die Erklärung zur Nonnenkrankheit durch wissenschaftliche Studien begründet. Könnte man zumindest meinen. Denn wie Studien und Erfahrungswerte zeigen, steigert sich die Krebsrate, und somit auch die Brustkrebsrate, mit höherem Alter. Statistisch gesehn.
1969 wurde eine wissenschaftliche Analyse im Journal of the National Cancer Institute veröffentlicht, die auch zu dem Schluss kam, dass Nonnen ein erhöhtes Brustkrebsrisiko hätten. Diese Studie veranlasste 2011 die Krebsforscher Kara Britt und Roger Short von der Universität Melbourne den Vorschlag zu machen, dass Nonnen lebenslang die Antibaby-Pille nehmen sollten. Selbstverständlich nicht, um eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern, sondern um ihre Zyklen zu unterbinden: denn ihr erinnert euch: je weniger Zyklen eine Frau hat (wegen ihrer Schwangerschaften!), desto geringer ist die Gefahr einer Brustkrebserkrankung gegeben.
Leider erinnerten sie bei ihrem Vorschlag nicht daran, welche Auswirkungen die Pille haben kann: von Kopfschmerzen über Blutungsstörungen, von depressiven Verstimmungen bis zur Gewichtszunahme und einigem mehr...da ist so einiges dabei. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ich, als ich noch die Pille nahm, regelmässig einmal im Monat einen Kreislaufzusammenbruch hatte, wenn ich die Pille nach einwöchiger Pause wieder einnehmen musste. Für mich war sie also nichts. Andere Frauen, die ich kenne, haben die Pille mehrfach gewechselt, bis sie diejenige fanden, bei der sie keine Beschwerden hatten. Es ist also nicht ganz ohne...
Nun, um zurück auf die Ursprünge der Nonnenkrankheit zu kommen: Ramazzini etablierte sich damals als Begründer der Arbeitsmedizin und deckte die Zusammenhänge zwischen Arbeitsbedingungen und Erkrankungen auf. Sein Motto war 'Besser vorbeugen als heilen' und setzte sich in der Folge für bessere Arbeitsbedingungen ein. Er gilt seither als Pionier der Sozialmedizin und der Hygiene und verfasste darüber auch als erster eine Schrift.

Doch der Schlussfolgerung, weshalb Nonnen ein erhöhtes Brustkrebsrisiko haben sollen, kann ich weder Ramazzini noch den Studien folgen und frage mich: wieviel Einfluss hatte das damalige Weltbild auf die Schlussfolgerung? War es damals, im 18. Jahrhundert nicht so, dass es als Aufgabe der Frau angesehen wurde, Kinder zur Welt zu bringen? Kann es sein, dass dieses Bild der Frauen die Schlussfolgerung von Ramazzini beeinflusst hat? Wieviele Mütter starben damals bereits wegen mangelnder Hygiene bereits im Kindbett? Wie alt wurden diese Frauen, die ein ganz anderes Leben führten als die Nonnen in ihrer Gemeinschaft und klaren Strukturen? Welchen Einfluss hatten Epidemien an den Sterblichkeitsraten bei 'normalen' Frauen und den Nonnen? Und wie alt waren die Nonnen damals und heute, die Brustkrebs bekamen und noch bekommen? Wurde das Verhältnis Anzahl Nonnen und Anzahl übrige Frauen damals und heute in die Statistik einberechnet? Es gibt bestimmt noch viel mehr offene Fragen dazu, doch auf keine konnte ich eine Antwort finden.
Ja, ich kenne persönlich keine Nonnen und kann deshalb nichts sagen zu ihrem Brustkrebs. Doch ich kenne etwa ein Dutzend Frauen (auch mich), die Brustkrebs hatten oder gerade haben und ohne Ausnahme sind alle von ihnen Mütter, teils auch mehrfach. Und ja, ich weiss: meine Beobachtungen sind nicht statistisch belegt, aber sie führen zu meinen vielen Fragen.
Um nun mit der Nonnenkrankheit aufzuhören: ja doch, dabei handelt es sich um Brustkrebs. Papst Franziskus hingegen bezeichnete 2022 im Scherz seine starken Knieschmerzen als Nonnenkrankheit und verwies darauf, dass sich auch diese zum Gebet immer beugen müssten. Dies als kleine Anekdote am Rande.
Also bleibt gesund, ich werde jetzt erst mal die Sonne geniessen.
Corinna
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