Radium Girls
- Corinna
- 14. Feb.
- 4 Min. Lesezeit
Vorwarnung: Ich werde hier ein paar Bilder der Frauen zeigen, die Schädigungen von Radium davon getragen haben. Wenn ihr empfindlich seid, bitte nicht weiterscrollen.
All die Frauen, die Weckern und Uhren dazu verhalfen, in der Nacht zu leuchten und durch wirklich üble Umstände bekannt wurden unter dem Namen: Radium Girls.
All die Frauen, die dabei nicht wussten, wie sehr sie ihrer Gesundheit mit dieser Arbeit schadeten, obwohl sie einfach nur Geld verdienen wollten mit ihrer Tätigkeit. Sei es in der Fabrik oder in Heimarbeit: kein Geld der Welt hätte sie für das Erbe ihrer Arbeit entschädigen können. Doch, wie so oft im Leben: sie wussten nicht, was sie da taten.

Doch trotz all dem Leid, das die Folgen ihrer Arbeit mit Radium waren, haben sie etwas hinterlassen: sie gelten als die Vorreiterinnen für Arbeitsschutz, den es zuvor so gut wie gar nicht gab.
Nachdem Marie Curie 1898 das Radium entdeckte, begann ein regelrechter Hype darum. Es wurde nicht nur eingesetzt, um Uhren zum leuchten zu bringen, sondern auch in Geschirr, Kosmetka, Kondomen und Lebensmitteln. Damals wurden Radium gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben, noch niemand wusste, wie schädlich es in Wirklichkeit war.
Erst als in Amerika die ersten Frauen wegen herausfallender Zähne bei den Ärzten vorstellig wurden, ihre Kiefer und Knochen einfach so zerbrachen, Wirbelsäulen einknickten, wurden Ärzte auf dieses Phänomen aufmerksam. Die Zahl der an Krebs erkrankten Frauen häufte sich und die Mediziner begannen zu recherchieren. Denn sowas hatten sie in dieser Form noch nicht erlebt.

Es stellte sich heraus, dass all diese Frauen bei der US Radium Corporation in Newark gearbeitet hatten und dort Zifferblätter mit Radium bemalten. Da diese Arbeit im Akkord bezahlt wurde, bemühten sich die Frauen, soviele Zifferblätter wie möglich am Tag zu schaffen, manche kamen bis auf 200 oder gar 250 Stück am Tag. Immer wieder wurde der sehr feine Pinsel ins Radium getunkt, und da die Pinselhaare immer wieder auseinanderstanden, wurde dieser einfach in den Mund gesteckt und mit der Zunge wieder zugespitzt. War das damals und heute nicht auch noch so bei uns, wenn wir oder unsere Kinder mit Wassermalfarbe malten und der Pinsel auseinandergeht? Und wir oder unsere Kinder den Pinsel rasch mit der Zunge zugespitzt haben? Nur war unsere Malfarbe im Gegensatz zum Radium nicht in jedem Fall gesundheitsschädlich (manchmal aber eben auch schon) und der Pinsel landete bei uns nicht so oft und in täglicher Routine im Mund,

Eine dieser Arbeiterinnen war Grace Fryer. Nachdem ihr im Jahre 1922 das Gesicht anschwoll, Zähne ausfielen und der Kiefer von Löchern zerfressen war, nachdem die Ärzte herausgefunden hatten, dass dies vom Radium stammte, hatte sie den Mut, das Unternehmen zusammen mit vier weiteren Betroffenen zu verklagen. Es sollte Jahre dauern, bis sie einen geeigneten Anwalt dafür fand. Am 11.01.1929 sass Grace im Gerichtssaal, sie waren nur noch zu dritt, die Mitstreiterinnen in der Zwischenzeit verstorben. Sie hatte keine Zähne mehr, benötigt eine Stütze im Rücken und konnte die Hand nicht mehr zum Schwur heben.
Bei einer aussergerichtlichen Einigung Monate später wurde den betroffenen Arbeiterinnen schliesslich ein Schmerzensgeld und eine jährliche Rente zugesprochen. Ein Schuldeingeständnis von Seiten der Firma gab es nicht, aber es war bekannt, dass die Wisschenschaftler und oberste Leitung der Firma sehr wohl wussten, wie gefährlich Radium war, es aber den Arbeiterinnen nicht mitteilten. Profit ging über alles. Pikant dabei ist, dass der zuständige Richter selbst ein Aktionär von US Radium war. Da die meisten Betroffenen innert wenigen Jahren verstarben, kam die Firma hier ziemlich glimpflich davon. Doch immerhin führten sie Schutzmassnahmen für den Umgang mit Radium ein. In Amerika geht man davon aus, dass wohl Tausende Frauen nach ihrer Arbeit mit Radium erkrankten und daran starben. Grace Fryer stirbt am 27.10.1933.

Doch diese Radium Girls gab es nicht nur in Amerika. Auch in der Schweiz wurde ab 1907 die Verwendung von Radium in der Uhrenindustrie gefördert, vor allem im französisch sprechenden Teil, da sich diese Industrie hauptsächlich dort ansiedelte. Doch im Gegensatz zu Amerika wurde in der Schweiz nur ein kleiner Teil dieser Arbeit in einer Werkstatt verrichtet. Es wurde hauptsächlich auf Heimarbeit gesetzt, und im Gegensatz zu Amerika sehr wenig mit Pinsel, dafür mit Glasröhrchen und Setzstiften gearbeitet. Die Arbeit verrichteten sie im Wohn- oder Esszimmer, der Küche und im Schlafzimmer. Manch Gefäss wurde nach der Arbeit einfach im Küchenschrank verräumt, wo auch die Kinder ungehindert Zugang dazu hatten. So ist etwa die Geschichte eines Jungen bekannt, dass er und seine Gspänli sich zum Jux die Nägel mit Radium anmalten, weil diese so schön leuchteten in der Nacht. Sein bester Freund verstarb Jahre später an Krebs. Ob es am Radium lag, vermag keiner zu sagen. Überhaupt ist nicht bekannt, ob es in der Schweiz gesundheitliche Folgen hatte für die Frauen, die mit Radium arbeiteten, da dies nicht untersucht wurde. Doch eine Handchirurgin berichtete in den 1970er Jahren von Patientinnen, deren Hände verstrahlt, verkrebst und mit Läsionen beschädigt waren.

Die Verwendung von Radium in der Schweiz wurde 1963 mit der Strahlenschutzverordnung verboten und mit Radium belastete Räume und Böden entsprechend saniert. Im Jahre 2023 fand die letzte Sanierung auf einem Privatgrundstück im Kanton Solothurn statt. Überhaupt sollte sich Radium nur noch in Uhren befinden, die vor 1970 hergestellt wurden.
Ob Radium heute noch verwendet wird? Offiziell ist es Firmen weltweit
seit 1968 verboten, Radium in Konsumgütern zu verwenden. Ob das tatsächlich eingehalten wird? Keine Ahnung. Doch andere giftige und sogenannte 'Ewigkeitsmaterialien' wie Asbest, Formaldehyd und PFAS sind immer noch im Umlauf und belasten uns und die Umwelt.
Doch die wären wohl einen weiteren Artikel wert. Was meint ihr?
Corinna
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