So Leute, heute nehme ich euch mal mit in die Ostschweiz. Für mich selbst ein eher unbekannter Ecken der Schweiz, war ich vor wenigen Wochen überhaupt das erste Mal in Appenzell und St. Gallen. Ich schreibe bewusst IN, denn wenn ich auch zeitgleich in den jeweiligen Kantonen war, so gehts hier doch um die gleichnamigen Orte. Wollte ich meinen Aufenthalt in den Kantonen selbst beschreiben, würde es bei uns in der Schweiz heissen: IM Appenzell und IM St. Gallen. Kommt ihr mit? Auf den Ausflug meine ich?
Meine Schwägerin, meine Schwester und ich nutzten einen gemeinsamen freien Tag für den Trip und machten uns morgens um neun auf den Weg.
Eigentlich wollten wir auf den Säntis, DER Berg im Appenzell, auf dem gefühlt schon jeder mindestens einmal war...ausser meiner Wenigkeit natürlich. Doch das Wetter war sehr durchzogen, immer wieder blies der kalte Wind grosse Wolkenbänke über uns hinweg und so war auch nicht klar, wie die Aussicht von dort oben sein würde. Wir liessen den Säntis also Säntis sein (aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben), und besuchten stattdessen Appenzell.
Appenzell (im Dialekt Appezöll) ist ein kleinerer Ort mit etwa 5'700 Einwohnern und in eine wunderschöne Landschaft eingebettet. Hügelige Landschaften und das Alpsteinmassiv locken viele Wanderer und Wintersportler an, die in Appenzell einen guten Ausgangspunkt finden.
Ausserdem gibt es in und auch im Appenzell viele Spezialitäten der Ostschweiz, wie zum Beispiel den Schlorzifladen. Dabei handelt es sich um eine Wähe, welche mit einer Masse aus gekochten und pürierten Dörrbirnen, den Schlorzi, belegt und mit einem Rahmguss verfeinert wird. Wer Birnenweggen mag, kommt hier voll auf seine Kosten.
Wer den Namen Appenzell hört, bringt diesen oft in Verbindung mit dem Frauenstimmrecht in der Schweiz. Als einer der letzten europäischen Staaten führte die Schweiz das Stimmrecht für Frauen erst im Jahre 1971 ein, nach uns kamen nur noch Portugal (1975) und Liechtenstein (1984). Die Isle of Man erlaubt den Frauen zum ersten Mal in Europa, Besitz zu haben und demnach auch zu wählen: dies war bereits im Jahre 1881.
Wusstet ihr, dass das erste bekannte Wahlrecht aus dem Jahre 1776 stammt? Damals gab die erste Verfassung des US-Gliedstaates New Jersey das Wahlrecht an ' Alle Einwohner dieser Kolonie, die volljährig sind, fünfzig Pfund besitzen und seit zwölf Monaten im County gelebt haben.'
Jaja, wir Schweizer gehören nicht immer zu den Schnellsten...
So, und wer nun meint, dass das Frauenstimmrecht in der Schweiz im Jahre 1971 nun endlich geregelt war, der hat nicht an unsere Kantone gedacht. Denn auf kantonaler Ebene hatten Frauen auch weiterhin in 12 Kantonen kein Stimm- und Wahlrecht. Appenzell Innerrhoden führte dieses Recht als letzter Kanton im Jahre 1991 ein, allerdings erst nachdem die Frauen eine staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht hatten. .
Eine Besonderheit in Appenzell ist die Landgemeinde. Man kann diese als Urform der Demokratie bezeichnen und existiert heute nur noch in den Gemeinden Appenzell Innerrhoden und Glarus. Vermutet wird, dass sich die Appenzeller Landsgemeinde bereits 1378 zum ersten Mal versammelte, doch belegt ist dies erst seit 1404 mittels Urkunde.
Auf dem obigen Landsgemeindeplatz versammeln sich alljährlich am letzten Sonntag im April die stimmberechtigten Frauen und Männer von Appenzell Innerrhoden. Die Stimmberechtigten nehmen Wahlen vor und stimmen über sämtliche durchs Jahr angefallenen Sachgeschäfte auf kantonaler Ebene ab. Seit 1991 zeigt die Stimmkarte die Berechtigung an den Wahlen an, für Männer gilt aber auch das Seitengewehr: dies ist ein in der Regel von Generation zu Generation weitergegebener Degen und bis 1991 der einzige Stimmrechtsausweis.
Schätzungsweise 3000 Stimmberechtigte sind an diesen Landsgemeinden anwesend. Abgestimmt wird durch Hochhalten der rechten Hand. Sollte das Mehr so nicht abgeschätzt werden können, muss einzeln ausgezählt werden.
Übrigens: im Appenzell sind die Männer unterwegs, die im rechten Ohr einen goldenen Löffel tragen, die sogenannte Ohreschuefle. Die Schuefle (Kelle) ist an einer Schlange befestigt, welche den ewigen Kreislauf von Leben, Tod und Auferstehung symbolisiert. Die Schuefle selbst ist ein typisches Arbeitsgerät der Sennen und wird zum Abschöpfen von Rahm und zur Käseherstellung verwendet. Gemeinsam mit der Tracht wird dieser einzigartige Ohrschmuck zur Alpfahrt getragen. Einzig die Schlange kann im Alltag von den Männern getragen werden, aber bitte ohne Schuefle...
Mit diesem frühlingshaften Bild verabschiede ich mich von euch und sehe auch dann wieder in St. Gallen.
Corinna
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